Vorschau

Die Geschichte des Gymnasiums von 1834 bis 1918/19 (Auszug)

Angelika Kugler-Kießling

1872 übernahm Friedrich Richard Franke (1832-1905) das Rektorat. Franke besuchte das Gymnasium zu Fulda, danach die Fürstenschule zu Meißen und studierte in Jena und Leipzig Philologie, bevor er mit 22 Jahren sein Probelehrjahr an der Kreuzschule in Dresden absolvierte. 1857 wurde er dann Gymnasiallehrer in Zwickau, 1858 Adjunkt in Schulpforta, 1861 Subkonrektor in Gera, 1864 Oberlehrer in Burg bei Magdeburg und schließlich war er von 1868-1872 Konrektor an der Thomasschule in Leipzig. Unter seiner Leitung vollzog sich die wichtigste äußerliche Veränderung des Gymnasium Albertinum.

Friedrich Richard Franke
Friedrich Richard Franke. Rektor von 1872-1894 Schularchiv

Nachdem sich immer mehr herausgestellt hatte, dass das Gymnasialgebäude sowohl wegen seiner Baufälligkeit als auch wegen seiner den Ansprüchen der Zeit ungenügenden Einrichtung nicht mehr weiter genutzt werden konnte, wurde auf Anordnung des Königlichen Ministeriums des Kultus und öffentlichen Unterrichts und mit Zustimmung der Stadtverordneten am 19. Mai 1873 der Bau eines neuen Schulgebäudes beschlossen und noch im gleichen Jahr, am 17. Juli 1873, fand die Grundsteinlegung statt. Die Stadt Freiberg wurde mit Rezess vom Mai 1873 verpflichtet, das notwendige Grundstück (als Beyer’sches Gartengrundstück bezeichnet) unter Verzicht auf ein Entgelt an den Königlich sächsischen Staatsfiskus erb- und eigentümerisch abzutreten. Im Gegenzug bekam die Stadt die beiden Grundstücke, auf denen die bisher genutzten Schulgebäude standen, als freies Eigentum. Außerdem wurde festgelegt, dass das neue Gymnasium mit allen Anlagen und Inventar als Staatseigentum aus der Gymnasialkasse mit Zuschuss aus der Staatskasse unterhalten wird. Allerdings verpflichtete sich die Stadt Freiberg, dem Ministerium 10.000 Taler Bauzuschuss zu gewähren und überließ ihm auch das vorhandene Inventar. Gestrichen wurde in diesem Zusammenhang auch der Zuschuss für die Lehrerwohnungen.

Historische Schulbibliothek um 1915
Historische Schulbibliothek um 1915 – Schularchiv

Neugeschaffen wurde 1873 eine Schülerbibliothek,[1] in der mehrere Klassenbibliotheken fusioniert waren. Sie umfasste etwa 2700 Bestandseinheiten. Damit standen am Gymnasium jetzt fünf unterschiedliche Bibliotheksbestände zur Verfügung. Neben der neuen Schülerbibliothek gab es bereits die alte Schulbibliothek mit ihrem wertvollen Bestand an Handschriften, Inkunabeln und Drucken aus der Reformationszeit, die 8437 Bestandseinheiten umfasste, die alte Bibliothek der Jakobikirche, die geisteswissen-schaftlich Abteilung der Privatbibliothek Abraham Gottlob Werners  (1749-1817)[2] mit 4245 Bänden und die Luther- und Melanchthonbibliothek mit 372 Bänden. Es kostete sicher etliche Anstrengungen, alle diese überaus wertvollen Bestände sorgsam zu verpacken und im neuen Schulgebäude fachgerecht wieder aufzustellen.

Im Oktober 1875 war es endlich so weit. Die ersten Klassenräume des neuen Schulgebäudes waren bezugsfertig. Eingeweiht wurde das Gebäude im Beisein von Staatsminister Karl Friedrich Wilhelm von Gerber (1823-1891)[3], Geheimrat Robert Otto Gilbert, zehn Vertretern der sächsischen Gymnasien sowie zahlreichen Absolventen der Schule schließlich am 12. Oktober 1875. Nach einem kurzen Abschied in der alten Thümerei zog ein feierlicher Zug mit neuer  Schulfahne[4] zum neuen Gymnasium, das von da an die Bezeichnung Gymnasium Albertinum trug. In seiner Ansprache nannte Rektor Franke die beiden maßgeblichen Ziele der künftigen gymnasialen Ausbildung. Wissen und Charakterbildung sollten in deren Fokus stehen. Er führte aus „… wie das Gymnasium mit seinem auf humanistischer Grundlage ruhenden, im christlichen und vaterländischen Geiste erteilten und die Forderungen der Gegenwart berücksichtigenden Unterricht dieses Ziel aufs beste erreiche“.

Stadtarchiv Freiberg, KK 26 d, fol. 21b, Ausschnitt Siegel_048
Recognitionsschein vom 19. Mai 1873 über das von der Stadtgemeinde zu Freiberg an den Königlich-Sächsischen Fiskus abgetretene
Gartengrundstück zur Erbauung eines neuen Gymnasialgebäudes.
Ausschnitt mit Siegel Stadtarchiv Freiberg, KK 26 d, fol. 21 b

[1] Für diese Bibliothek, die auch Unterhaltungsliteratur bereitstelle, wurde 1881 Johanna Spyris Kinderroman Heidis Lehr- und Wanderjahre angeschafft.

[2] Der Geologe und Mineraloge Abraham Gottlob Werner gehört zu den bedeutendsten Lehrern der Bergakademie Freiberg im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert.

[3] Gerber war seit Herbst 1871 neuer Kultusminister in Sachsen

[4] Die neue Fahne war ein Geschenk Freiberger Damen und auf beiden Seiten kunstvoll bestickt. Auf der einen Seite war das Stadtwappen zu sehen. Darüber die Wörter „Gymnasium Fribergense“ und darunter die Jahreszahl „1875“. Auf der anderen Seite stand auf weißem Grund von Efeu umrankt „Virtuti, Sapientiae, Pietati“.